Meine liebste Mini

Diana

So kurz war dein Aufenthalt bei uns, aber so groß ist die Wirkung und die Liebe, die du in unserem Herzen hinterlassen hast. Ich bin sehr glücklich, dass ich dir für 51 Tage ein kleines schönes Zuhause sein konnte und ich hoffe, dass du dich wohl gefühlt hast.

Am 28. Tag hast du dich als kleiner roter Teststreifen gezeigt und ich konnte es nicht so richtig glauben, dass du da bist. Ich hatte es zwar im Gefühl, habe mich aber noch nicht getraut zu freuen. Am nächsten Morgen habe ich einen zweiten Test gemacht und siehe da, da warst du wieder als deutlicher zweiter Streifen zu erkennen. Meine Brüste haben schon gespannt und ich habe meine Gebärmutter stärker wahrgenommen. Da warst du also, kleines Würmchen, still und leise am Wachsen. Dein Papa hat sich sehr gefreut, dass du deinen Weg endlich zu uns gefunden hast. Er musste auch sehr viele Qualen erleiden (täglich drei eklige Pillen zum Frühstück statt einem Nutella-Brot L) und seine Jungs trainieren, damit sie mutig genug sind sich meiner Eizelle zu nähern (ich bin mir ziemlich sicher, dass ich sehr hartnäckige Eizellen habe, die nicht jedes Spermium willkommen heißen). Und dann durch Zufall oder Glück kamst du daraus hervor.

So hatten wir also wenigstens drei ganze Wochen mit dir und haben dich täglich angefeuert, damit sich deine Zellen richtig teilen und du alle Gliedmaßen bekommst (und sich dein Schwänzchen zurückbildet). Beim ersten Ultraschall (34. Tag) haben wir eine kleine Fruchthülle gesehen und gehofft, dass sich dort alles so entwickelt, wie es soll. Und das tat es auch, allerdings blieben die Schwangerschaftssymptome aus. Du bist zwar weitergewachsen, aber ich habe dich immer weniger bemerkt. Meine Brüste spannten nicht mehr und ich nahm kaum die Veränderungen in der Gebärmutter wahr. Ich versuchte mir einzureden, dass das normal sei und ich zu den besonderen Mamis gehöre, die keine Beschwerden in der Schwangerschaft verzeichnen. Papa war da skeptisch und übervorsichtig (wie immer J) und somit sind wir früher zum 2. Ultraschalltermin (45. Tag) gegangen als geplant. Die Ärztin hat uns beruhigt und dort schlug es, dein kleines Herz – wir waren sehr happy, dass es dir gut geht und dass du so stark warst und es geschafft hast ein Herzchen zu entwickeln. Wir sind sehr stolz auf dich und lieben dich. Du musst uns auch sehr geliebt haben, wenn du all deine Kraft in diesen Herzschlag investiert hast. Und es war gut, dass ich keine Schwangerschaftsbeschwerden hatte und wir uns deswegen Sorgen gemacht haben und zum Arzt gegangen sind. Der ursprüngliche Termin war nämlich für den 60. Tag angesetzt, aber auf diese Weise konnten wir dich wenigstens schon sehen, wie stark du warst und dass du uns wirklich geliebt hast.

Am 50. Tag sind wir aufgewacht und haben uns gefreut, dass du dich aus einer Heidelbeere in eine Himbeere verwandeln wirst. Wir dachten, mit jedem Tag, an dem du bei uns bist, sinkt die Gefahr, dass du doch noch gehst. Und da das Herzchen angefangen hat zu schlagen, waren wir zuversichtlich, dass du bleibst und wir dich in 7-8 Monaten im Arm halten werden. Mit jedem Tag blieben jedoch meine Beschwerden aus oder wurden weniger und ich fühlte mich mehr und mehr „normal“, also nicht mehr richtig schwanger. Ich denke, du hast es nicht zu einer Himbeere geschafft und wolltest lieber als Heidelbeere von uns gehen (die mag ich eigentlich auch lieber, also kann ich dir gar nicht böse sein). Wir haben uns auf einen entspannten Samstag gefreut, wollten als Abwechslung in einem Café frühstücken und danach zu Ikea fahren und uns einen Bilderrahmen für die Hochzeitsfotos kaufen.

Nach dem Frühstück bin ich auf Toilette gegangen und dort waren sie: die ersten Flecken unseres Unglücks. Zuerst dachte ich, dass es eine kleine Blutung vom Geschlechtsverkehr sei, den wir am Morgen hatten (ich weiß, das war in den ersten Wochen absolut unnötig, aber wir konnten der Leidenschaft schwer widerstehen), aber es ging nicht weg, also sind wir am Samstagabend in die Notaufnahme gegangen und mussten auf die Station „Kreißsaal“ – ich weiß, wie absurd das jetzt für dich klingt. Wir mussten mit unserer Blutung und unseren Ängsten auf eine Station, auf der glückliche Frauen ihre Babys bekommen. Zum Glück war der Behandlungsraum vor der Station und wir mussten weder schreiende Mütter noch schreiende Babys hören. Die Ärztin war super lieb und hat mich untersucht. Dein Herzchen hat geschlagen, sie sagte jedoch, dass dies nur eine Momentaufnahme sei und ich mich schonen sollte. Papa machte sich Sorgen, ich versuchte ihn zu beruhigen und hatte das Gefühl, dass alles okay sei und die Blutung bald weggehen würde.

Am Sonntag nach dem Frühstück wurde es mehr und nun war ich ebenfalls in Sorge und fing langsam an meine Zuversicht und Hoffnung zu verlieren. Im Internet habe ich zwar gelesen, dass Blutungen in der Frühschwangerschaft vorkommen können, aber da ich auch Krämpfe („Wehen“) hatte, wusste ich, dass etwas nicht stimmt. Ich habe mir vorgenommen mit dir in Verbindung zu treten und habe auf YouTube eine 15-minütige Meditation gefunden. Ich habe dein Kleidchen geholt und meine Hände auf den Bauch gelegt um dich besser zu spüren und bin den Anweisungen der Stimme gefolgt. Ich denke, dass du da noch da warst und wir uns auf diese Weise das erste Mal begegnet sind. Gleichzeitig habe ich gespürt, dass diese Verbindung nicht lange halten wird und habe von der ersten Minute auch sehr tiefen Schmerz und Traurigkeit darüber empfunden. Vielleicht hast du mein Weinen und lautes Schluchzen gehört. Ich hoffe, dass ich dich damit nicht erschrocken oder aufgewühlt habe. Ich hätte viel früher mit dir in Verbindung treten und dir mehr Kraft für dein Wachstum schicken sollen. Es tut mir leid, dass ich erst so spät versucht habe eine Verbindung zu dir aufzubauen. Ich hoffe, du bist nachsichtig mit mir und weißt, dass es keine böse Absicht war und dass es für mich schwierig war die Schwangerschaft ohne jegliche Anzeichen zu akzeptieren und auszuleben. Ich habe aktiv 1,5 Jahre auf eine Schwangerschaft gehofft und es ist noch viel länger her, seitdem ich mir eine kleine Kinderseele wünsche.

Die Ängste vor einer Fehlgeburt haben sich mit jeder Stunde verstärkt und als ich ins Bett ging, hatte ich Angst in einer Blutlache aufzuwachen, aber du warst ganz vorsichtig und hast mich gut vorgewarnt. Am Montagmorgen sind wir wieder in die Notaufnahme gegangen und dort hat die Ärztin bestätigt, dass dein kleines Herzchen nicht mehr schlägt. Es tat weh, dass du weg warst, aber wenigstens haben wir uns verabschieden können. Ich habe mich für einen natürlichen Abgang ohne medizinische Hilfeleistungen entschieden. Ich wusste, dass du mir nicht weh tun wirst und genauso sanft gehen wirst wie du gekommen bist. Am Montag habe ich all meinem Schmerz und meiner Traurigkeit Raum gelassen und habe den ganzen Tag geweint. Es war schön zu wissen, dass du noch da bist, in meinem Körper, ganz nah bei mir, auch wenn deine Seele deinen und meinen Körper schon verlassen hat. Trotzdem war es gut, dass ich mich auf natürliche Weise von dir verabschieden konnte. Und ich wollte deinem kleinen Körper auch Zeit geben, dann rauszukommen, wenn er soweit ist.

Am Dienstag ging es mir etwas besser. Dank des Buchs „Vertrauen nach Fehlgeburt“ von Rosa Koppelmann, das ich in mich hineingeschlungen habe, konnte ich deine Entscheidung gehen zu wollen, besser akzeptieren. Da ich innerlich losgelassen habe, war ich auf dem Weg in die Dusche um mich zu „reinigen“. Wie du weißt, mag ich es beim Duschen laut Musik zu hören, also habe ich die Spotify Playliste „Baby Loss & Grief“ angemacht und das erste Lied „I Was Here“ von Beyoncé hat angefangen zu spielen und da kamst du – direkt in meine Hand, du kleines Wesen. Du hast dir auf jeden Fall den besten Moment und das schönste Lied ausgesucht. Ich konnte deinen winzigen Körper und die kleine Fruchthülle erkennen und bin immer noch beeindruckt von diesem Wunder, das uns die Natur bereitet. Du bist vielleicht 1,5cm groß, deine Herzchengröße bewegt sich im Millimeterbereich und trotzdem hast du es geschafft so viel Liebe in unser Leben zu bringen. In dem Lied geht es darum, die Welt zu beeinflussen, indem man seine Spuren bei denen hinterlässt, die uns lieben. Es geht darum zu lernen, nicht nur zu leben, sondern wirklich lebendig zu sein. “Ich war hier. Ich habe gelebt. Ich habe geliebt. Ich war hier. Ich habe (alles) getan. Alles, was ich wollte, und es war mehr, als ich dachte.” Es ist eine Erinnerung daran, dass das Leben kurz ist. Du hast uns trotz der kurzen Zeit sehr viel gegeben und dein Bestes getan. Du hast uns Glück gebracht und unsere Welt ein wenig besser gemacht. Dafür danken wir dir.

Ich habe ein Zitat aus dem Buch „Freundensprung“ von Namiah Bauer gefunden und ich denke, dass du, kleine Mini Kinderseele, darin zu uns sprichst: „Ich suche den Weg zu meiner Mutter und ich freue mich zu ihr zu kommen. Ich weiß schon, bevor ich mich aufmache, dass ich nur für einen Moment bleibe. Ich bin die Wegvorbereiterin für die Seele, die eigentlich kommen möchte. Das mache ich gern, weil das meine Aufgabe ist. Meine Mama bleibst du trotzdem immer. Gib mir bitte einen Platz in deinem Herzen. Ich bin ein Licht, das im Himmel immer für dich leuchten wird. Bitte halte mich nicht fest, lass mich frei, sonst bist auch du nicht frei. Ich bin eine Feder, lass mich fliegen. Wenn du magst, gib mir einen Platz in der Natur, wo du gern bist und denke an mich. Ich schenke dir Freude und Leichtigkeit. Mit mir hast du etwas verabschiedet, was du nicht mehr brauchst und jetzt darfst du das Neue empfangen. Lege deine Hände auf den Unterleib und lass die Freude dort hinfließen. Danke, dass ich bei dir sein durfte.“

Du kleine Kinderseele hast uns besucht und bist wieder gegangen und vielleicht war es für etwas gut. Vor allem hast du mir meine größte Angst gespiegelt, die Angst vor einer Fehlgeburt. Mit dieser wunderschönen Stillen Geburt hast du mir jedoch gezeigt, dass ich keine Angst haben muss und einfach nur auf mich und meinen Körper vertrauen kann.

Du hast für immer einen Platz in unserem Herzen und wirst für immer ein Teil von uns sein.

Wir lieben Dich.

Mama und Papa.

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